Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Hochsensibilität bei Kindern

Begriffe
Im Folgenden verwende ich den Begriff Hochsensibilität, der sich im deutschen Sprachraum eingebürgert hat, eigentlich aber eine falsche Übersetzung des englischen Begriffes high sensitivity ist. Genau genommen müsste man den Begriff Hochsensitivität verwenden, der sich vom lateinischen Wort sentire ableitet und so viel wie „fühlen“ oder „empfinden“ bedeutet. Sensitive Wahrnehmung geht also über Sensibilität hinaus und genau genommen ist ein hochsensitives Kind zwar immer hochsensibel aber umgekehrt ein hochsensibles Kind nicht immer hochsensitiv. Zur Vereinfachung verwende ich die Abkürzungen HS (Hochsensibilität) und HSK (hochsensibles Kind).

Verbreitung und Entstehung
Man kann davon ausgehen, dass etwa 15 bis 20 Prozent aller Kinder hochsensibel sind. Somit befinden sich in einer Schulklasse mit 28 Kindern statistisch gesehen etwa drei bis fünf HSK. In den meisten Fällen wird HS vererbt, wobei die Vererbung auch eine oder mehrere Generationen überspringen kann.

Wie zeigt sich die Hochsensibilität?
Die klassischen Sinne wie das Sehen, Hören, Riechen und Schmecken sowie die taktilen Reize wie Berührung, Druck, Temperatur und Schmerz werden vom Nervensystem eines HSK schneller, feiner und tiefer verarbeitet. Je nach Ausprägung reagiert das eine HSK z.B. empfindlich auf visuelle Eindrücke, während das andere möglicherweise sehr geräuschempfindlich ist. Häufig kommt es zu einer Reizüberflutung und Anweisungen oder Handlungsabläufe werden durch die große Anzahl an hereinströmenden Informationen überlagert. Konzentration und Struktur sinken dann oft stark ab.

Manche HSK werden durch Reizüberflutzung unruhig und haben einen erhöhten Bewegungsdrang, andere ziehen sich in die Welt der Gedanken zurück und wirken dadurch abwesend. Aufgrund dieser „Symptome“ fällt eine Abgrenzung zu ADHS/ADS mitunter schwer und es kann bei der Diagnose leicht zu Fehleinschätzungen oder Verwechslungen kommen. Während HSK eine verminderte Aufmerksamkeitsspanne oder Tagträume nur in speziellen Situationen (wie z.B. in der Schule) zeigen, zeigen Kinder mit ADHS/ADS diese Verhaltensauffälligkeiten in allen Situationen. Dies führt zu der Erkenntnis, dass das Vorhandensein einer HS sowohl die Diagnose ADHS als auch ADS ausschließt.

Wie stellt man Hochsensibilität fest?
Einen wissenschaftlich fundierten Test, mit dem Hochsensibilität bei Kindern festgestellt werden kann, gibt es nicht. Es gibt jedoch Fragebögen, die typische Verhaltensweisen von HSK enthalten. Hier kreuzen Eltern an, ob bzw. inwieweit bestimmte Aussagen auf ihr Kind zutreffen. Je mehr Aussagen die Eltern mit „ja“ beantworten können, desto wahrscheinlicher ist es, dass das betreffende Kind hochsensibel ist.

Hochsensibilität und Hochbegabung
Es stellt sich nun die Frage, ob ein HSK aufgrund seiner Sensibilität, Reizoffenheit und tiefgründigen Wahrnehmung gleichzeitig auch hochbegabt ist und die Antwort lautet: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß. Allerdings sollte man dabei nicht unbedingt an den klassischen Überflieger in der Schule denken, da nur etwa ein Drittel aller Hochbegabten dieser Idealvorstellung entsprechen. Bei gleichzeitigem Vorhandensein von HS und Hochbegabung kann es sein, dass letztere „unter der Oberfläche“ verborgen bleibt. Während ein „klassisch“ hochbegabtes Kind sein Talent in der Schule durch Spitzennoten und hohe Leistungen zeigen kann, geht ein hochbegabtes HSK oftmals einen ganz anderen Weg, der unter Umständen wenig erfolgreich erscheint und mit Schwierigkeiten beim Lernen verbunden sein kann.

Was brauchen hochsensible Kinder?
HSK brauchen (wie andere Kinder auch) Liebe, Harmonie und Geborgenheit. Vor allem aber benötigen sie die Bereitschaft ihrer Eltern, einige Dinge anders (als normal) zu bewerten und zu tun. HSK lernen eher durch sanfte Belehrung als durch Bestrafung. Eine gewisse Portion Humor ist sowohl bei der Motivation eines HSK als auch für das Meistern des (oft stressigen) Alltags mit HSK sehr wichtig.

In der Schule sollte ein HSK in den vorderen Reihen sitzen, um die Ablenkung möglichst gering zu halten. Mündliche Abfragen oder Aufgaben, die nicht zeitgebunden sind, können von HSK oftmals besser bearbeitet werden. Bei visuell-räumlich denkenden Kindern sollte genug Zeit (bzw. eine kleine Pause) eingeplant werden, damit das Kind verbal vermittelte Inhalte visualisieren kann.

Es gibt keine Gebrauchsanweisung für den Umgang mit hochsensiblen Kindern. Das Wichtigste ist, ein HSK so zu akzeptieren und zu lieben, wie es ist und ein Umfeld zu schaffen, in dem es sich wohl fühlt und entfalten kann.