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Die ie-Maschine

Für sehr viele Menschen stellt die ie-Schreibung kein großes Problem dar. Das liegt vor allem daran, dass sie über eine gute visuelle Merkfähigkeit verfügen. Sie können sich Wortbilder gut einprägen und beim Schreiben wieder abrufen. Ganz automatisch findet ein Abgleich zwischen dem geschriebenen Wort und dem gespeicherten Wortbild statt und bei Nichtübereinstimmung wird sozusagen Alarm ausgelöst.

Ganz anders sieht das bei Menschen aus, die Defizite in der visuellen Merkfähigkeit haben. Das fällt meistens recht früh auf, wenn Kinder beispielsweise häufig vorkommende Wörter immer wieder falsch oder unterschiedlich schreiben. Sie können nicht auf gespeicherte Wortbilder zurückgreifen, ein Abgleich kann nicht erfolgen. Weitere Schwierigkeiten kommen hinzu, wenn gleichzeitig Probleme in der akustischen Differenzierung vorliegen und das Kind beispielsweise nicht zuverlässig zwischen langen und kurzen Vokalen unterscheiden kann.

Was sagt eigentlich die Regel? Eine eindeutige und einheitliche Regel habe ich nicht gefunden. Die meisten Lehrwerke sind sich jedoch einig, dass das lange i in einer betonten Silbe in den meisten Fällen mit ie geschrieben wird, also wie in Biene, sieben, viele und Riese. Und was ist mit Maschine, Klima, Kino, lila, Krokodil und Medizin? Nein, das sind Ausnahmen! Leider gibt es von diesen Ausnahmen eine ganze Menge. Ich habe Lehrwerke gefunden, bei denen die Liste der Ausnahmewörter länger ist, als die der ie-Wörter. Dass Menschen mit Wahrnehmungsproblemen sich mit dem Merken dieser Ausnahmewörter schwer tun, muss ich wohl nicht mehr betonen. Aus diesem Grund habe ich die ie-Maschine erfunden.

Doch wie funktioniert diese ie-Maschine genau? Es gibt drei Verarbeitungsschritte:

  1. Vorbereitung der Wörter:
    In diesem Arbeitsschritt werden die Wörter für die weitere Verarbeitung vorbereitet. Zunächst werden, falls vorhanden, die Vor- und Nachsilben abgetrennt (z.B. verbieten, vorziehen, biegsam, Vertiefung). Anschließend werden Einsilber verlängert (z.B. biegen, tiefer). Achtung: Einsilber, die nicht verlängert werden können, werden in der ie-Maschine nicht weiter verarbeitet (z.B. mir, dir, wir, die, nie, sie, ihm, ihn, ihr). Hierbei handelt es sich um kurze Merkwörter, die gesondert behandelt werden müssen.
  2. Prüfung:
    In diesem Schritt wird überprüft, ob das Wort eine der beiden Strukturen besitzt, bei denen ein ie möglich ist.
    Check1: Das Wort besteht aus (genau) zwei Silben, die erste Silbe ist offen und in der zweiten Silbe steht ein e.
    Check2: Das Wort endet entweder auf -ieren (z.B. fotografieren), -i(e)r (z.B. Klavier, Vampir) oder -ie (Fantasie).
    Wörter, die nicht nach Check1 oder Check2 aufgebaut sind, verlassen an dieser Stelle die ie-Maschine. Sie werden mit i geschrieben.
  3. Kontrolle:
    Nun werden noch die wenigen richtigen Ausnahmen aussortiert. Das sind die Wörter: Tiger, Biber, Bibel, Fibel, Igel, Primel, Nische, Mine (Bleistift), Brise, Prise, Viren (die Einzahl Virus wird bereits in Schritt 2 aussortiert) und Vampir.

Der große Vorteil der ie-Maschine liegt darin, dass ein Großteil der Wörter, die im Allgemeinen als Ausnahmen gelten, gar keine sind, sondern aus gutem Grund im zweiten Verarbeitungsschritt die Maschine ohne ie verlassen.

Ich wünche viel Spaß beim Ausprobieren der ie-Maschine.